Kurz vor dem "Sommerloch" für Politiker brachte die Bundesregierung eine neue Veröffentlichung anlässlich "20 Jahre Deutsche Einheit" heraus, die auf Massenwirksamkeit und Verbreitung der regierungsoffiziellen Sichtweise
gerichtet ist. Sie umfasst ein breites Spektrum von ausgewählten Themen von der "Krise der DDR" bis zur Gegenwart im Vereinigungsprozess.
Leider kommt man auch hier nicht ohne Beschönigungen der Lage aus - wie nicht anders zu erwarten. Besonders auf ökonomischem Gebiet fallen solche Schönfärbereien ins Auge, so dass hier speziell darauf eingegangen
werden soll. Von Karl Mai
Zitat:
Besonders wichtig für den Aufholprozess war die höhere Wachstumsrate der ostdeutschen Industrie im Vergleich zum Westen. So nahm die Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe zwischen 1991 und 2009 um atemberaubende
104 Prozent zu, während es in Westdeutschland nur knapp 3 Prozent waren.(S. 61)
" ... um Atemberaubende 104 Prozent" im Vergleich zum Niedrigstand von 1991 (!) in der Transformationskrise - eine grobe Manipulation der Sichtweise:
* Hier wird erstens ausgeblendet, dass 1991 der Stand der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe im Vergleich zu 1989 auf 28,8 % abgesunken war (ohne Berlin, auf Preisbasis 1995 in Euro), wie G. Heske nachgewiesen hat. [1]
* Zweitens wird suggeriert, dass sich der Aufholprozess "zwischen 1991 und 2009" gleichmäßig vollzogen hätte: Tatsächlich gilt er praktisch bereits ab 1996 als abgebrochen. Die nachfolgende Zeit von ca. 15 Jahren hat
es überhaupt keinen wesentlichen Aufholprozess im Leistungsniveau der Gesamtwirtschaft mehr gegeben, und der absolute Stand der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe ist noch immer nicht auf dem Niveau von 1989 in der
ehemaligen DDR.
Ähnlich argumentiert der Propaganda-Bericht auch hinsichtlich des Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) je Einwohner seit 1991 für alle Wirtschaftsbereiche.